Kurden in Syrien: Bedroht von der Türkei und durch die neuen Machthaber in Damaskus
(AFP) Bei dem Besuch von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in der Türkei steht die Frage im Mittelpunkt, wie für das geschundene Bürgerkriegsland Syrien dauerhaft eine friedliche Zukunft gesichert werden kann. Schon vor ihrem Abflug wies Baerbock darauf hin, dass die Kurden in Syrien bereits "neue Gewalt" befürchteten.
Baerbock nannte die Angreifer zwar nicht beim Namen, aber es geht dabei vor allem um die Türkei, die bei der Zukunft Syriens eine Schlüsselrolle spielt.
Denn die kurdischen Einheiten im Nordosten Syriens, die dort die autonome Region der Kurden absichern, sehen sich derzeit einer neuen Offensive von Milizen gegenüber, die von der Türkei unterstützt werden.
Gleichzeitig befürchten die Kurden, dass die neuen Machthaber in Damaskus, die islamistische Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS), ihre teuer errungene Autonomie wieder in Frage stellen könnten.
Die Jahrzehnte unter der Herrschaft von Baschar al-Assad unterdrückten Kurden hatten von der zunehmenden Schwäche des Zentralstaats unter Assad profitiert.
Sie riefen im Nordosten Syriens eine "föderale Region" aus, womit sie sich den Zorn Ankaras zuzogen. Die islamisch-konservative Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht die kurdischen YPG-Kämpfer als Ableger der als terroristisch eingestuften und verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).
Zugleich unterstützt die Türkei seit Jahren islamistische Milizen in Syrien - auch HTS.
Während die HTS-Kämpfer ab dem 27. November von der nordwestlichen Region Idlib aus Richtung Damaskus marschiert waren, richteten andere pro-türkische Milizen ihre Angriffe Richtung Osten und gegen die Kurden.
Sie übernahmen die Kontrolle über die strategisch wichtige Stadt Tal Rifaat im Norden und die weiter östlich gelegene Stadt Manbidsch, ein Gebiet, das mehrheitlich von Arabern bewohnt wird. Beide Orte sind Teil einer 30 Kilometer breiten "Sicherheitszone", die die Türkei an ihrer Grenze zu Syrien einrichten will.
Unter der Vermittlung der USA war eine Waffenruhe zustande gekommen, doch die kurdischen Kräfte werfen den pro-türkischen Milizen vor, die Feuerpause zu brechen.
Die syrischen Kurden dominieren die Einheiten der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF), die bisher von den USA unterstützt werden und die an vorderster Front gegen die Dschihadisten des Islamischen Staates (IS) in Syrien gekämpft hatten.
Nach wie vor gibt es IS-Gruppen in Syrien, die sich in Wüstengebiete des Landes zurückgezogen haben.
Die USA gaben nun bekannt, dass sie seit Jahresbeginn ihre Truppen in Syrien im Rahmen des Kampfes gegen den IS auf rund 2000 verdoppelt hätten. Die meisten davon sind in den kurdisch kontrollierten Gebieten stationiert.
Zuletzt warnten die SDF davor, dass pro-türkische Milizen einen Angriff auf die mehrheitlich kurdische Stadt Kobane planten.
Kobane gilt als Symbol des jahrelangen Kampfes gegen die brutalen IS-Anhänger. Dort erlitt der IS gegen kurdische Einheiten seine erste Niederlage, bevor er 2019 endgültig besiegt wurde.
SDF-Chef Maslum Abdi schlug am vergangenen Dienstag eine "demilitarisierte Zone" für Kobane vor.
Ankara verfügt nach Angaben eines Regierungsvertreters zusätzlich zu den pro-türkischen Milizen über rund 16.000 bis 18.000 eigene Soldaten auf syrischem Boden. Die türkische Regierung hält sich nach eigenen Angaben bereit für einen möglichen Militäreinsatz "östlich des Euphrat" - also in der Gegend, die von den kurdischen Einheiten kontrolliert wird - so lange die kurdischen Milizen ihre Waffen nicht "niederlegen".
Der türkische Außenminister Hakan Fidan, den Baerbock am Freitag in Ankara zu Gesprächen über die Lage in Syrien treffen wollte, hält einen türkischen Einsatz im Nachbarland allerdings dann nicht für notwendig, wenn die neuen HTS-Machthaber in Damaskus sich "richtig um dieses Problem kümmern".
Präsident Erdogan verkündete seinerseits am Freitag, es sei an der Zeit, "die in Syrien existierenden Terrorgruppen auszulöschen" - er nannte dabei explizit neben dem IS auch die kurdischen Kämpfer.
Beobachtern zufolge versucht die Türkei, vom Machtwechsel in Damaskus zu profitieren.
Kurdische Einheiten sollen dabei so weit wie möglich von der Grenze zurückgedrängt werden - denn Ankara befürchtet im eigenen Land ein Übergreifen der Autonomie-Bestrebungen auf die Kurden im Südosten der Türkei. Zwischen 2016 und 2019 hat die Türkei drei Offensiven gegen die kurdische YPG-Miliz gestartet und kontrolliert seither große Teile im Norden Syriens.
Die Kurden in Syrien haben eine Reihe von Signalen der Verständigung an die neuen Machthaber in Damaskus ausgesandt.
So haben sie die Flagge der Opposition mit den drei roten Sternen an öffentlichen Gebäuden in der Kurdenregion gehisst. Auch kündigte die halb-autonome kurdische Verwaltung an, dass das Recht auf Zölle und Steuern an den Grenzen zu anderen Landesteilen entfallen solle.
HTS-Militärchef Murhaf Abu Kasra, der auch unter seinem Kampfnamen Abu Hassan al-Hamwi bekannt ist, hat bereits angekündigt, dass die neuen Machthaber in Damaskus ihre Kontrolle auch auf das Kurdengebiet ausdehnen wollen und dass "Föderalismus" nicht anerkannt werde.
Er fügte hinzu, dass "die Region, die derzeit von den SDF kontrolliert wird, in die neue Verwaltung des Landes integriert wird".
cp/bfi
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