(AFP) In Russland sind drei Anwälte des verstorbenen Oppositionsführers Alexej Nawalny wegen "Extremismus"-Vorwürfen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Ein Gericht in Petuschki verhängte am Freitag Strafen zwischen dreieinhalb und fünfeinhalb Jahren, wie im Gericht anwesende AFP-Journalisten berichteten.
Die Bundesregierung verurteilte die Strafen "auf das Schärfste" und forderte die Freilassung der drei Anwälte. Auch aus den USA und Frankreich kam scharfe Kritik.
Der Prozess gegen Igor Sergunin, Alexej Lipzer und Wadim Kobsew hatte unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden.
Sergunin muss dreieinhalb Jahre in ein Straflager, Alexej Lipzer fünf Jahre und Wadim Kobsew fünfeinhalb Jahre, wie AFP-Journalisten berichteten. Die Anwälte waren im Oktober 2023 festgenommen worden.
Das Gericht sprach sie nun der Mitgliedschaft in einer "extremistischen Organisation" schuldig.
Nawalny war der prominenteste Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er starb im Februar 2024 unter unbekannten Umständen in einem Straflager in der Arktis, wo er eine 19-jährige Haftstrafe verbüßen sollte.
Aus Sicht der Bundesregierung sind die Verurteilungen der drei Nawalny-Anwälte "in diesem System der Repression (...) ein weiterer trauriger Tiefpunkt".
Die Verfahren gegen Nawalny und zahlreiche Kremlkritiker seien "politisch motiviert", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin am Freitag. Ebenso wie die unmenschlichen Haftbedingungen zeigten sie, "wie brutal die russische Regierung und Justiz gegen Andersdenkende vorgeht".
Wie kaum ein anderer habe Nawalny "für die Hoffnung auf ein demokratisches Russland" gestanden, fügte die Sprecherin hinzu.
Verantwortlich für seinen Tod seien die russischen Behörden.
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), nannte das Urteil gegen die Nawalny-Anwälte "schockierend". Es komme jedoch "nicht überraschend", erklärte sie am Freitag im Onlinedienst Bluesky.
"Selbst diejenigen, die andere vor dem Gesetz verteidigen sollen, werden hart verfolgt", schrieb sie und forderte die umgehende Freilassung von Sergunin, Lipzer und Kobsew.
Auch andere westliche Staaten verurteilten die Strafen. Das US-Außenministerium sprach von einem "weiteren Beispiel für die Verfolgung von Verteidigern durch den Kreml in seinem Bemühen, die Menschenrechte zu untergraben, den Rechtsstaat zu unterminieren und Andersdenkende zu unterdrücken".
Das französische Außenministerium verurteilte die Strafen als "einen weiteren Akt der Einschüchterung" gegen Anwälte.
Die Organisation Amnesty International forderte die "sofortige und bedingungslose" Freilassung der drei Männer. Die russischen Behörden verfolgten Anwälte, "nur weil diese ihre Arbeit machen".
Zudem würden sie "die verbliebenen Reste des Rechtes auf einen fairen Prozess in Russland" angreifen, erklärte die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow. Wer die Menschenrechtslage in Russland schönrede, solle die Urteile zum Anlass nehmen, die Position zu überdenken.
"Es wird leider nicht der letzte Anlass dieser Art gewesen sein."
Seit ihrem Angriffskrieg gegen die Ukraine vor fast drei Jahren geht die russische Regierung verstärkt gegen ihre Kritiker vor. Fast alle russischen Oppositionellen befinden sich im Exil, im Gefängnis oder sind tot.
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