Israel knüpft Freilassung von Palästinensern an Ende "demütigender" Geisel-Inszenierungen
(AFP) Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat die für Samstag vorgesehene Freilassung palästinensischer Häftlinge an das Ende der "demütigenden" Hamas-Inszenierungen bei den Geisel-Übergaben geknüpft. Es sei entschieden worden, "die gestrige geplante Freilassung von Terroristen zu verschieben, bis die Freilassung der nächsten Geiseln ohne demütigende Zeremonien sichergestellt ist", teilte Netanjahus Büro am Sonntag mit.
Während die islamistische Hamas ein neues Geisel-Video veröffentlichte, gab Israels Gerichtsmedizin weitere Einzelheiten zum Tod von Kfir, Ariel und Shiri Bibas bekannt.
Als Grund für den Aufschub nannte Netanjahus Büro die "wiederholten Verstöße" der Hamas. Dies seien "insbesondere die erniedrigenden Zeremonien und der zynische Missbrauch der Geiseln zu Propagandazwecken".
Die Hamas hatte am Samstag im Rahmen inszenierter Übergaben insgesamt sechs von ihr als Geiseln im Gazastreifen festgehaltene Menschen freigelassen.
Am Morgen übergaben die Islamisten zunächst in Rafah den äthiopisch-stämmigen Israeli Avera Mengistu und den österreichisch-israelischen Doppelstaatler Tal Shoham, später folgte die Freilassung von Eliya Cohen, Omer Shem Tov und Omer Wenkert in Nuseirat. Eine sechste Geisel, der israelische Beduine Hischam al-Sajed, wurde schließlich in einer nicht öffentlich inszenierten Übergabe freigelassen.
Im Gegenzug sollte Israel im Rahmen des geltenden Waffenruhe-Abkommens am Samstag rund 620 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freilassen - darunter auch dutzende Inhaftierte, die zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt waren.
Kurz nach der Geisel-Übergabe hieß es jedoch aus israelischen Regierungskreisen, dass am Samstagabend zunächst eine "Sicherheitsberatung" von Ministerpräsident Netanjahu stattfinde, erst danach solle über weitere Schritte entschieden werden.
Vor ihrer Freilassung wurden die Geiseln am Samstag in Rafah wie auch in Nuseirat von vermummten Hamas-Kämpfern auf Bühnen vorgeführt und von diesen gezwungen, den dort ebenfalls versammelten schaulustigen Zivilisten zuzuwinken.
Das Spektakel wurde begleitet von einem Großaufmarsch schwerbewaffneter Hamas-Kämpfer.
Wie zuvor erfolgte die Übergabe einem präzisen Ablaufplan: Den Geiseln wurden auf einer Bühne als "Zertifikate" gekennzeichnete Schreiben auf Hebräisch ausgehändigt. Anschließend mussten sie sich auf der Bühne öffentlich äußern.
Erst dann wurden sie zu Fahrzeugen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) eskortiert. Das IKRK übergab die Freigelassenen schließlich in israelische Obhut.
Ähnliche Inszenierungen der Hamas bei früheren Geisel-Übergaben waren international auf scharfe Kritik gestoßen.
Besonderes Entsetzen hatte am Donnerstag die Übergabe der Leichen der jüngsten Hamas-Geiseln Ariel und Kfir Bibas ausgelöst.
Die Hamas inszenierte die Übergabe der getöteten Kleinkinder sowie zwei weiterer Leichen in Chan Junis im Süden des Gazastreifens martialisch.
Auf einer Bühne reihten die Islamisten vier Särge neben Geschosshülsen auf, daneben standen vermummte und bewaffnete Hamas-Kämpfer. An jedem Sarg war ein Foto angebracht.
In einem der Särge waren die sterblichen Überreste von Oded Lifshitz, in zwei weiteren die der Bibas-Kinder.
Doch der vierte Sarg enthielt nicht wie angekündigt die Leiche ihrer Mutter Shiri. Stattdessen lag eine nicht bekannte Frauenleiche in dem Sarg.
Erst am Freitag erhielt Israel dann vom Roten Kreuz die Nachricht, dass der Leichnam von Shiri von der Hamas übergeben worden sei.
Die Familie Bibas erklärte am Samstag, die Brüder und ihre Mutter seien ermordet worden. Details sollen nach dem Willen der Familie nicht veröffentlicht werden.
Die Gewissheit über den Tod der beiden jüngsten Hamas-Geiseln und die Übergabe einer falschen Leiche lösten in Israel Entsetzen aus.
Am Samstag teilte dann der Direktor des Nationalen Instituts für forensische Medizin, Chen Kugel, mit, dass eine Autopsie der sterblichen Überreste von Kfir, Ariel und Shiri Bibas keine Hinweise auf Verletzungen durch einen Bombenangriff ergeben habe.
Ein Hamas-Sprecher hielt dagegen am Samstag an der Darstellung vom angeblichen Bombentod der drei fest und warf Israel vor, "haltlose Lügen" zu verbreiten.
Laut der Hamas waren die von ihr am 7. Oktober lebend verschleppte Mutter und ihre beiden Kinder im November 2023 bei einem israelischen Luftangriff auf den Gazastreifen getötet worden.
Derweil zwang die Hamas am Samstag zwei weitere Geiseln, sich die jüngsten Geisel-Übergaben als Zuschauer anzusehen.
In einem von der Islamistengruppe veröffentlichten Video sind Evyatar David und Guy Gilboa-Dalal zu sehen, die am 7. Oktober bei dem Hamas-Überfall auf das Nova-Festival entführt worden waren.
Das Video zeigt die beiden Anfang 20-Jährigen als Zuschauer in einem Hamas-Auto, wie sie die Übergabe von Elija Cohen, Omer Schem Tov und Omer Wenkert in Nuseirat mitansehen.
In der Aufnahme ist zu sehen, wie die beiden jungen Männer Netanjahu anflehen, ihre Freilassung zu erwirken. "Wir wollen nur, dass es aufhört", sagen sie.
Für die verzweifelten Familien von David und Gilboa-Dalal ist die Aufnahme das erste Lebenszeichen ihrer Lieben seit einem Jahr.
Das israelische Forum der Geisel-Familien nannte das Video einen "Akt der psychologischen Folter" und "abscheuliche Zurschaustellung von Grausamkeit".
kas/ma
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