(AFP) Vier Tage vor Heiligabend hat ein Anschlag mit mehreren Toten und vielen Verletzten auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg Deutschland erschüttert. Das Motiv des mutmaßlichen Täters, der mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt raste, bleibt bislang noch vage.
Ein Überblick über die bisher bekannten Hintergründe:
Was passierte am Freitagabend?
Um 19.02 Uhr befuhr der Tatverdächtige mit seinem Wagen nach Polizeiangaben zunächst langsam in einen Flucht- und Rettungsweg in Richtung Alter Markt, wo sich der Weihnachtmarkt befand.
Zur gleichen Zeit ging im Lagezentrum der Polizei der erste Notruf ein. Er erhöhte das Tempo und verletzte die ersten Passanten.
Er bog ab, fuhr weiter Richtung Rathaus, machte einen Schlenker und erhöhte demnach auf gerader Strecke erheblich die Geschwindigkeit.
Der Täter fuhr nach früheren Polizeiangaben mit seinem Auto "mindestens 400 Meter über den Weihnachtsmarkt". Letztlich stand er wieder an der Kreuzung, wo der Anschlag begann.
Dort wurde der mutmaßliche Täter von Beamten gestoppt und festgenommen. Der Direktor der Polizeidirektion Magdeburg, Tom-Oliver Langhans, sprach von einem "Zeitfenster von rund drei Minuten".
Bei dem Tatfahrzeug soll es sich um einen Leihwagen mit Münchner Kennzeichen gehandelt haben.
Wie erfolgte die Festnahme?
Auf in mehreren Medien verbreiteten Videoaufnahmen ist zu sehen, wie ein Polizist mit vorgehaltener Waffe ruft: "Leg dich hin, die Hände auf den Rücken".
Einen kurzen Moment später kommen weitere Einsatzkräfte hinzu und umstellen den am Boden liegenden Verdächtigen. Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus.
Nach Informationen der "Bild"-Zeitung soll der Täter unter Drogen gestanden haben, bestätigt wurde das bisher nicht.
Wie viele Opfer gibt es?
Die Behörden sprachen bis Samstag von mindestens fünf Toten und mehr als 200 Verletzten, 41 davon waren schwer und teils schwerst verletzt.
Zu den Todesopfern zählten vier Erwachsene und ein neunjähriges Kind. Die Verletzten wurden nach Angaben der Stadtverwaltung in 15 Kliniken auch außerhalb Magdeburgs, etwa in Brandenburg, behandelt.
Informationen zu Alter, Herkunft und Geschlecht der Verletzten lagen zunächst nicht vor.
Was ist bisher über den mutmaßlichen Täter bekannt?
Es handelt sich um einen seit 2006 in Deutschland lebenden Arzt aus Saudi-Arabien.
Taleb A. soll Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sein.
Der 50-Jährige hat einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Er lebte zuletzt in Bernburg im Salzlandkreis und arbeitete als Arzt.
A.
kam laut Kopie seines der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden saudiarabischen Passes am 5. November 1974 zur Welt. Er ist Schiite und stammt aus dem Osten des Landes.
In seinem Heimatland studierte er Psychologie, bevor er nach Deutschland ging.
Dorthin kam er, weil er sich vom Islam lossagte und seither verfolgt fühlte. In einem AFP-Interview vor zwei Jahren stellte er sich mit den Worten vor: "Ich bin ein saudischer Atheist." In dem Interview beschimpfte er den Islam.
Was ist über das Motiv bekannt?
Den Ermittlern gegenüber gab A. "Unzufriedenheit mit dem Umgang mit saudiarabischen Flüchtlingen in Deutschland" an, dennoch blieben die Hintergründe bisher weitgehend im Dunkeln.
Interviews und Onlineaktivitäten zeichnen von A. das Bild eines Mannes, der den Islam ablehnt, die vor allem die deutschen Polizeibehörden zunehmend verachtete und mit der AfD sympathisiert.
Noch vor wenigen Jahren gab sich A.
als Aktivist, der von ihren Männern unterdrückten Frauen in Saudi-Arabien zur Flucht verhelfen wollte und dazu auf einer Webseite auch über das deutsche Asylsystem informierte. Im Jahr 2019 erschienen in Deutschland und auch international mehrere Interviews und Berichte über sein Agieren.
In den vergangenen Jahren fiel A.
in den sozialen Medien vor allem auch durch verschwörungstheoretische Äußerungen auf. Berichten zufolge bekundete er in Beiträgen im Onlinedienst X auch seine Sympathie zur AfD.
Angeblich soll die saudiarabische Botschaft deutsche Behörden vor A.
gewarnt haben. Vor etwa einem Jahr plante die Polizei nach einer Strafanzeige eine sogenannte Gefährderansprache, dazu kam es offenbar nicht.
Laut Staatsanwaltschaft befand sich A. "nicht im Fokus" der Ermittler.
hex/mt
© Agence France-Presse